Handschrift des Monats Januar 2022: Ein selbstbewusstes Vorbild - Das Valkenburg-Graduale und seine stilbildende Malerei (Cod. 1001b)

01.01.22, 00:01
  • Handschrift des Monats Aktuelles

Er stammte aus dem Maasland und brachte französische Buchmalerei mit nach Köln. Der Franziskaner Johannes von Valkenburg wurde damit zum Vorbild - auch für die Buchkunst der Klarissen im 14. Jahrhundert.

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Mit einem buchkünstlerischen Paukenschlag beginnt dieses Chorbuch, das die Gesänge zur Messliturgie enthält: Die ganzseitige Eingangsminiatur zeigt einen gerahmten Architekturprospekt, ähnlich dem Eingangsportal einer gotischen Kathedrale (fol. 1v). In der Mitte thront vor blau gemustertem, die Unendlichkeit symbolisierenden Hintergrund Christus als Weltenherrscher. Links neben ihm steht Maria, die Gottesmutter, rechts von ihm der Ordensgründer Franziskus. In den Fächern darunter sind mit Klara und Bonaventura weitere zentrale Heilige des Franziskanerordens dargestellt. Unterhalb des segnenden Pantokrators kniet demütig ein Franziskanerbruder, der mit gleichwohl unübersehbarem Selbstbewusstsein auf einer Schrifttafel verkündet: „Ich, Bruder Johannes von Valkenburg, habe dieses Graduale geschrieben, mit Noten versehen und ausgemalt und es vollendet im Jahr des Herrn 1299.“

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Historisch ist dieser Buchkünstler leider kaum fassbar, lediglich sein Werk weist ihn als gebildeten und weitgereisten Ordensmann aus. Möglicherweise stammt er aus dem Haus der Grafen von Limburg (Maas), die auch Herren von Valkenburg waren und den Franziskanern nahestanden. Die Buchmalerei des Frater Johannes steht primär unter maasländischem Einfluss, doch benutzt er auch französische, englische und kölnische Stilelemente. Vor allem gilt als sicher, dass er die bereits in Köln bestehende Assimilierung der Pariser Buchkunst weiterentwickelt und zu einem ersten Höhepunkt gebracht hat (fol. 3r). Neben dem Graduale Cod. 1001b der Diözesanbibliothek zeugt davon eine Zwillingshandschrift, die sich heute in der Universitäts- und Landesbibliothek Bonn (S 384) befindet.

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Charakteristisch für den Stil des Johannes von Valkenburg sind die eigenwilligen, stacheligen Rankenarme, die einem Rankenbündel an einer Miniatur oder Zierleiste entspringen und dieses in horizontaler oder vertikaler Richtung fortsetzen (fol. 27v). Die Ranken rollen sich am Ende ein und enden in filigranen Blattornamenten. Die äußere Seite verläuft dabei in einer gezackten Linie, deren Ecken mit kleinen Goldkugeln, dem sogenannten engrêlé, besetzt sind. Aus der Distanz erinnern diese Zierformen an Windmühlenflügel und spielen damit möglicherweise auf diese auch im Maasland verbreiteten Bauwerke an. Im gotischen Maßwerk der Architekturbekrönungen in den Miniaturen wiederum scheint Johannes Elemente des zeitgleich entstandenen Kölner Doms verarbeitet zu haben.

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Das Bildprogramm des Graduales weist deutlich auf seine Bestimmung für ein Franziskanerkloster hin. Neben der Eingangsminiatur ist etwa das Fest des hl. Franziskus (fol. 232v) besonders hervorgehoben: Die Initiale „G“ zeigt die wundersame Heilung eines Krüppels bei der Übertragung der Gebeine des Heiligen, während am unteren Seitenrand die legendarische Vogelpredigt des Franziskus dargestellt wird. Auch der hl. Antonius von Padua ist im Reigen der Heiligenfeste durch eine Miniatur herausgehoben (fol. 215v). Ein Besitzvermerk der Kölner Minoriten belegt tatsächlich, dass die Handschrift in diesem Kloster in Benutzung war (fol. 1r). Die in Privatbesitz befindliche Abzeichnung einzelner Initialen durch den Historienmaler Eduard von Steinle bezeugt, dass sich das Graduale auch um 1860 noch dort befand, bevor es 1878 in den Besitz des Erzbistums überging.

 

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Die Buchmalerschule der Kölner Minoriten, die wohl unter der Leitung des Johannes von Valkenburg stand (fol. 144r), stellte ihre Tätigkeit gegen 1330 ein. Zwischen 1320 und 1360 jedoch übernahmen in Köln die Klarissen, der weibliche Zweig des Franziskanerordens, deren Werkstattstil. Sie führten insbesondere die Architekturmotive, Rankenarme und Drolerien – humorvolle Darstellungen von Tieren und Mischwesen am Seitenrand – weiter und vervollkommneten diese Elemente in den nicht minder prächtigen Werken aus ihrem Skriptorium. 

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Als Vorbild für die Klarissenhandschriften ist Cod. 1001b (hier fol. 198r) noch bis zum 30. Januar 2022 in der Ausstellung „Von Frauenhand. Mittelalterliche Handschriften aus Kölner Sammlungen“ zu sehen, die das Museum Schnütgen in Kooperation mit der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek Köln zeigt: https://museum-schnuetgen.de/Von-Frauenhand-Mittelalterliche-Handschriften-aus-Koelner-Sammlungen. Insgesamt 32 Exponate vom 8. bis zum 16. Jahrhundert verdeutlichen, welch großen Anteil Frauen an der mittelalterlichen Handschriftenproduktion hatten – und dass ihre Werke denen von Männerhand in nichts nachstehen.

Digitalisate der Handschrift Cod. 1150 und weitergehende Informationen können jederzeit über die Digitalen Sammlungen der Diözesanbibliothek abgerufen werden: https://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:kn28-3-3778

 

Abbildungen:

Cod. 1001b, fol. 1r  Dedikationsbild mit Künstlerdarstellung
Cod. 1001b, fol. 3r  Introitus „Ad te levavi“ zum 1. Advent
Cod. 1001b, fol. 27v  Messe an Epiphanie (Heilige Drei Könige)
Cod. 1001b, fol. 232v  Fest des hl. Franziskus
Cod. 1001b, fol. 144r  Osterfest mit Auferstehungsminiatur
Cod. 1001b, fol. 198r  Beginn des Commune sanctorum (Andreas und Petrus mit Christus beim Fischen)

 

 

Ansprechpartner:

Herr Dr. Harald Horst
Telefon: 0049 221 1642 3796 

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